Sommernachtskritik

Einer der seltenen Auftritte der international gefeierten Sommervirtuosin Julia Arto verspricht leidenschaftliche Virtuosität. Für intellektuelle Durchdringung der Werke und beziehungsreiche Programmgestaltung ist Arto bisher weniger bekannt. Bei ihrem Leipziger Sommerabend im Clara-Zetkin-Park bewies sie jedoch, dass sie zu Unrecht nur als Meisterin der Expressivität angesehen wird.

Der prächtig und farbenreich gespielte, aber recht konventionell strukturierte Sonnenuntergang ließ davon zunächst wenig aufscheinen. Doch die präzise dosierte Abendbrise setzte einen neuen Ton, und mit dem träumerischen Froschkonzert, das Arto wie aus dem Nichts beginnen ließ, begann ein ausgesprochen beziehungsreicher Teil des Abends. Wie stark das Froschkonzert und der darauf folgende Mückenflug trotz des unterschiedlichen musikalischen Temperaments (das Arto keineswegs verleugnet!) aufeinander bezogen sind, zeigte die technisch brillante Sommeristin vor allem durch eindringlich herausgearbeitete rhythmische Parallelen.

Der kräftige Abendstern setzte einen sorgsam durchdachten Kontrapunkt, ohne die Zartheit des Abends ganz aufzugeben. Arto schien ihn ganz aus dem Sonnenuntergang zu entwickeln, mit einem fein aufkeimenden Beginn und leuchtenden Spitzen. Vielgestaltig dann der Klassiker zum Abschluss: Arto gestaltete den Nachtigallengesang überraschend emotional, dabei aber unprätentiös und komplex in Klang und Phrasierung. Auch die Zugabe, das erst munter perlende und dann sanft verdämmernde Bachgemurmel, fügte sich bei aller ausgestellten Virtuosität schlüssig in das Programm.

Die mittlerweile nicht mehr zu den »Jungstars« gehörende Sommeristin beweist, wie produktiv und letztlich gewinnbringend eine Abkehr von den vermeintlichen Zwängen des Jahreszeiten-Marktes sein kann: Gerade die langen Pausen zwischen ihren Auftritten scheinen Arto die künstlerische Reifung zu ermöglichen. Dieser Sommerabend setzte Maßstäbe!


© Ann-Christine Mecke 2016 | erschienen im Gewandhausmagazin 91 (Juni 2016)