Schön neutral

Wir sprechen nun mit Kathleen Dämpfer, der ersten städtischen Straßenmusikkuratorin Deutschlands. Frau Dämpfer, was ist Ihre Aufgabe als Kuratorin?

Ich kümmere mich darum, dass wir eine ausgewogene Straßenmusiklandschaft haben. Früher konnten Sie in der Fußgängerzone vier Panflötengruppen hintereinander antreffen, die womöglich auch noch die gleichen Lieder gespielt haben. Um das zu vermeiden, lasse ich mir von allen interessierten Musikern Besetzungs- und Repertoirelisten schicken. Daraus kuratiere ich dann die Gruppen, mit denen wir eine Partnerschaft eingehen.

Heißt das, andere Musiker dürfen gar nicht mehr öffentlich auftreten?

Doch, natürlich! Nur eben nicht auf den städtischen Straßen und Plätzen, da soll die Musik originell und auf den Standort abgestimmt sein. Originell heißt: Wenn ein Dudelsackspieler schon wieder die schottische Nationalhymne anbietet, dann frage ich, ob er zur Abwechslung nicht den »Hummelflug« ins Programm nehmen will. Meistens einigen wir uns dann, oder wir müssen die Partnerschaft leider beenden.

Und wie stimmen Sie die Musik auf die Stadt ab?

Wir messen beispielsweise die Fußgängergeschwindigkeiten und suchen dann passende Rhythmen. Die Musik muss natürlich auch mit dem wirtschaftlichen Angebot des Standorts harmonieren: Vor einer Pizzeria will niemand Rachmaninoff hören, Neue Musik passt nicht in historische Stadtkerne, und vor eine Bank gehören keine kapitalismuskritischen Songs.

Ach, nicht? Wo sind die denn besser aufgehoben?

Für politische Musik haben wir einen eigenen Standort an der Ausfallstraße Richtung Flughafen. Da stört das niemanden, und in der Innenstadt bleibt mehr Platz für schöne neutrale Klänge.


© Ann-Christine Mecke 2019 | erschienen im Gewandhausmagazin 104 (September 2019)

Beitragsbild: Gert Mothes